Objekt:

 Privatstele, Kalkstein, 28 x 21,6 x 3,8 cm.

Datierung:

 Neues Reich (1250-1100).

Herkunft:

 Vielleicht Theben.

Sammlung:

 Fribourg, Sammlungen BIBEL+ORIENT, ÄFig 2001.7.

Darstellung:

 In beiden Registern tritt von rechts ein Mann mit in Beterhaltung erhobenen Händen vor drei nach rechts gerichtete Figuren. Im oberen Register wendet sich der Beter an die Göttertriade Osiris, Isis und Horus. Vor ihnen steht ein Opferständer mit einem Blumengebinde. Osiris ist wie üblich mit ungegliedertem Körper auf einem Sockel [ergänzter Text von Keel 2008: 66: in Form des Maat-Zeichens] stehend dargestellt. In der auf Brusthöhe geballten linken Faust hält er den Wedel, rechts ist von dem zu erwartenden heqa-Zepter nichts zu sehen. Hinter ihm steht Isis, die ihre Hände in einer Schutzgeste zum Arm des Osiris erhebt. Auf ihrem Kopf steht die Hieroglyphe des Thrones, die ihren Namen schreibt, im Haar trägt sie ein Stirnband. Hinter ihnen erscheint der gemeinsame Sohn Horus mit Falkenkopf, großer Perücke und dem üblichen Götterschurz. Eine Sonnenscheibe schwebt über seinem Haupt [ergänzter Text von Keel 2008: 66: Seine rechte Hand richtet sich verehrend auf seine Eltern. In der Linken hält er das Lebenszeichen] Im unteren Register wendet sich vielleicht derselbe Mann, wie oben in einen langen Schurz gekleidet, aber hier mit einer kürzeren Perücke, an einen König und zwei Königinnen. Beim König verbindet sich die vor der Stirn aufgerichtete Uräusschlange mit dem Stirnband, bei den beiden Königinnen tritt sie aus der Perücke hervor. Der König trägt den geraden Königsbart, einen Dreieckschurz mit geknotetem Gürtel, ein Herrscherzepter in der linken, ein Lebenszeichen in der rechten Hand. Die erste Königin hält vermutlich eine Blume in der Linken, ein Stoffband in der Rechten. Die zweite Königin trägt wieder ein Lebenszeichen, wobei es infolge der beschädigten Steinoberfläche nicht ersichtlich ist, ob sie etwas in ihrer linken Hand hält.

Diskussion:

 Osiris, Isis und Horus wurden im ganzen Land verehrt, sie bildeten das göttliche Vorbild der Beziehungen zwischen Mann und Frau, Mutter und Kind, Vater und Sohn. Von ihnen erwartete man Schutz in diesem Leben und vor allem Beistand auf den gefährlichen Wegen des Jenseits. Im Rahmen der Religion und Staatsideologie hatte der König von jeher eine göttliche Funktion. Über das Krönungsritual wurde er mit den Göttern verbunden, als deren Sohn ausgewiesen und mit übernatürlichen Kräften ausgestattet, um die schwierige Verantwortung für Land und Volk tragen zu können. In seiner Titulatur wird der König stets als Sohn des Re bezeichnet, in Tempelinschriften kann er aber als Sohn sämtlicher Götter und Göttinnen erscheinen. Diese Bezeichnungen besagen lediglich, daß er aufgrund seines Amtes göttlichen Wesens war. Seit der Mitte der 18. Dynastie wurden die meisten Könige auch im privaten Bereich sowohl zu Lebzeiten, als manchmal noch Jahrhunderte nach ihrem Tod verehrt. Als Mittler zwischen der Menschheit und der Götterwelt und als Vertreter der Götter auf Erden war die Figur des König besonders geeignet den Heilserwartungen des Einzelnen entgegenzukommen. Wünsche und Sorgen des täglichen Lebens und oft konkrete Genesungsbitten wurden seinen Statuen und Bildnissen vorgetragen in der Hoffnung auf eine gütige Antwort. Der verstorbene König war als ehemaliger Erdenbewohner besonders geeignet dem Menschen bei seinem eigenen Eintreten ins Jenseits beizustehen. Die Verehrung des Königs war ein Aspekt der sich im Laufe des Neuen Reiches immer stärker ausdrückenden individuellen Religiosität, oft auch «persönliche Frömmigkeit» genannt. Dies war eine Geisteshaltung, in der der Einzelne direkten Kontakt zum Göttlichen suchte und seine an die Götter und den König gestellten Bedürfnisse oder von diesen erfahrene Zuwendung zunehmend auf Denkmälern festhielt. Konnten grundsätzlich alle Könige des Neuen Reiches verehrt werden, so erhielt der zweite König der 18. Dynastie, Amenhotep I., eine ganz besondere Popularität. Seine Verehrung setzte ein gutes Jahrhundert nach seinem Tod ein und ist über 1200 Jahre bis in die Ptolemäerzeit belegt (von Lieven 2001: 41-64). Besonders viele Zeugnisse seiner Verehrung stammen aus der thebanischen Siedlung Deir el-Medina, wo er zum Schutzpatron der Nekropolenarbeiter wurde (Černy 1927: 159-203). Doch auch in andern Gegenden des Landes wurde Amenhotep I. als Schützer und Helfer angefleht. Sehr oft wurde er zusammen mit seiner Mutter Ahmes-Nefertari verehrt. Wesentlich seltener wurde auch seine Gemahlin Ahhotep ins Gebet miteinbezogen, doch erscheint diese nie ohne das Beisein der Ahmes-Nefertari. Die hier auftretende Konstellation eines Königs mit zwei Königinnen macht auch ohne Beischriften deutlich, daß es sich bei den dargestellten Figuren um Amenhotep I., seine Mutter Ahmes-Nefertari und seine Gemahlin Ahhotep handelt. Eine der wenigen Parallelen bietet eine Stele in Leiden, auf der im oberen Register die Götter Osiris, Isis, Horachti und Maat dargestellt sind, im mittleren Register Horus und Upuaut vor Amenhotep I., dessen Mutter und dessen Gattin und auf der erst im untersten Bildstreifen der Stelenstifter und Beter erscheinen (Bickel 2004: Abb. 5c; Boeser 1913: 12, Nr. 43, Taf. 24, Leiden AP 59. Weitere Beispiele für die Konstellation des Königs mit den zwei Königinnen sind eine fragmentarische Stele [Bruyère 1952: 89f, Abb. 164] sowie eine Vignette auf dem Aussensarg des Butehamun [z.B. Reeves/Wilkinson 1996: 205]). Mit seinem Wunsch nach göttlichem Beistand im Diesseits und im Jenseits richtet sich der anonym gebliebene Beter in gleicher Weise an die älteste und berühmteste Götterfamilie des Pantheons und an einen verstorbenen König sowie die Frauen, die jenen in seinem Leben begleitet hatten.

Bibliographie:

Christie’s 2001: lot 379; Bickel 2004: 28-31, Nr. 5; Keel 2008: 66, Nr. 72.

DatensatzID:

943

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